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Eher zufällig habe ich Dien im Januar 2007 in Saigon kennen gelernt. Dien hat sechs Jahre seiner Kindheit in Deutschland verbracht. Ursprünglich stammt er aus einer kleinen Stadt im Mekong Delta.

Während der so genannten TET-Offensive, einer entscheidenden Phase des Vietnam-Krieges, im Februar 1968 war Dien als Fünfjähriger von Granatsplittern verletzt worden. Ein winziger Fremdkörper steckt noch immer in seiner Wirbelsäule. Seit dem Tag der Explosion ist Dien querschnittsgelähmt und sitzt im Rollstuhl.
Durch die internationale Förderation terres des hommes kam Dien, zusammen mit sechzehn schwerkranken und behinderten vietnamesischen Kindern, im Dezember 1968 zur Behandlung und Therapie nach Deutschland. Die Aktion zur Rettung kriegsverletzter Kinder machte damals große Schlagzeilen und gehörte zu einer der ersten Hilfsflüge dieser Art aus Krisen- und Kriegsgebieten. Sechs Jahre später schickte man ihn und zwölf weitere Kinder zurück in die Heimat.

Heute spricht Dien von den Jahren in deutschen Krankenhäusern und Reha-Kliniken, als die glücklichste Zeit seines Lebens, die Zeit der Liebe und Mitmenschlichkeit.

Was ist aus dem Kriegskind von damals geworden? 

Dien spricht hervorragend Deutsch, seine Jahre in Deutschland haben ihn so stark geprägt, dass er sich auch heute, über dreißig Jahre nach seiner Rückführung nach Vietnam, in Saigon manchmal noch fremd fühlt. Dien ist ein 44jähriger Mann mit einem enormen Schatz an Lebenserfahrung, der scheinbar alles erlebt hat: Schmerzen, Enttäuschung, Hoffnung, Liebe, Zurückweisung, bittere Armut, Hunger, Lebensfreude, Treue und unzählige Überraschungen. 

Zwischen Dien und mir entwickelte sich aus anfänglicher Sympathie eine besondere Freundschaft. Im Herbst 2007 reiste ich erneut nach Vietnam und gemeinsam begaben wir uns auf Spurensuche und bereisten das Land. Wir verbrachten erlebnisreiche Tage in einem Dorf im Mekong-Delta, wo Diens Familie heute noch lebt. Im Südchinesischen Meer hat Dien (sich selber) beweisen können, dass er noch immer schwimmen kann. Manchmal konnte Dien sich die Leichtigkeit aus seiner deutschen Kindheit zurückholen und seinen täglichen Überlebenskampf als Uhrmacher an einer Straßenecke in Saigon vergessen. 

Aus den Erlebnissen unserer gemeinsamen Reise entsteht zur Zeit ein sehr persönliches Buch (Veröffentlichung im Frühjahr 2009 im Gustav Lübbe Verlag). In der Geschichte geht es nicht nur um den Lebensweg des ehemaligen Kriegskindes, sondern auch um die Annäherung an das Thema Querschnittslähmung. Mit dem Buch versuche die Leserinnen und Leser an meinen Unsicherheiten als Nichtbehinderte im Umgang mit einem Rollstuhlfahrer und seiner speziellen Lebenssituation teilhaben zu lassen.
Auf unserer gemeinsamen Reise per dreirädrigem Moped, Fahrrad, Flugzeug und Bus war das gegenseitige Vertrauen eine Bedingung für das Erleben besonderer Abenteuer. An manchen Tagen waren wir ganz normale Touristen, die mit staunenden Augen die Sehenswürdigkeiten des Landes genossen und sich dabei wunderbar amüsierten.
Nicht zuletzt haben unsere Wege immer wieder in die Suppenküchen und Straßenrestaurants geführt, und so bekommt auch das kulinarische Paradies Vietnam seinen angemessen Platz im Buch.  

Was prägt einen Menschen? Was ist Heimat? Was bedeutet Akzeptanz? Wie lebt es sich in einem Land, das Behinderung eher als Schicksal denn als Folge äußerer Einwirkungen betrachtet? Diesen Fragen sind Dien und ich immer wieder nachgegangen und haben sie aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln betrachtet.

Dien ist ein mitreißender Erzähler, der erstaunliche Einblicke in seine Gefühlswelt vermitteln kann. Durch das Schreiben am Buch kann ich unsere gemeinsame Reise derzeit noch einmal erleben und mich täglich daran erfreuen.

Sollten sich alle bürokratischen Hindernisse überwinden lassen, wird Dien zur Buchveröffentlichung nach Deutschland kommen.
Eine Freundschaft in Saigon! Wie ich Nguyen Phong Dien kennenlernte
Das Jahr 2007 hat mir ein besonderes Geschenk gebracht: Die Freundschaft zu Nguyen Phong Dien.