Abtauchen in Baden-Baden
Sechzehn Schritte bis zum vollkommenen Genuss im Friedrichsbad

Wann sind Sie zum letzten Mal zugedeckt worden? Gefragt ist hier nicht nach dem Überstreifen einer Wolldecke durch einen aufmerksamen Partner, wenn man vor dem Fernseher eingeschlafen ist. Es geht vielmehr um die hohe Kunst des Gebettet-werdens auf angewärmten Laken, samt Faltens einer Kapuze und wohligem Einkuscheln. Derart verpackt darf der Gast das Badevergnügen im Friedrichsbad ausklingen lassen. Bis zu diesem krönenden Abschluss eines raffinierten Rituals werden fünfzehn genussvolle Etappen durchlaufen.
Das Vergnügen beginnt bereits beim Anblick der Außenfassade. Hier wähnt man sich eher vor einem italienischen Renaissance-Palast, als vor einem Hallenbad. Als das Friedrichsbad im Jahre 1877 seinen Betrieb aufnahm, war die hohe Kunst des Türkischen Bades kaum mehr als zwei Jahrzehnte zuvor in Europa angekommen. In Baden-Baden kreierte man mit dem römisch-irischen Bad eine Besonderheit, die seither Kurgäste aus dem In- und Ausland anzieht.
Mark Twain, sonst eher als harter Kritiker gefürchtet, urteilte einst: „Hier vergessen Sie nach 10 Minuten die Zeit und nach 20 Minuten die Welt.“
An einem trüben Herbsttag tauche ich ein in vergangen geglaubte Zeiten und habe das

geglaubte Zeiten und habe das Vergnügen eine neue Welt zu entdecken. Am Eingang erhalte ich eine kurze Einweisung und verstehe, dass ich nichts weiter brauche, als den Willen zum Genuss. Eine mächtige Treppe führt hinauf in den Frauenbereich, wo ich mich meiner gesamten Kleidung entledigen soll. Mir bleibt nur noch ein Schlüssel an einem Armbändchen. Nackt und mittlerweile in Begleitung dreier Amerikanerinnen wagen wir uns aus den Umkleideräumen hervor. Schon werden uns weiße Tücher und Badeschuhe gereicht.
Der erste Gang führt zu den Duschen. Hier gibt es Wasserhähne und Brausen, die ihre Namen noch verdienen. Beidhändig lege ich einen großen Hebel um und fühle das warme Quellwasser auf der Haut. Eine der Amerikanerinnen versucht sich an handtellergroßen Griffen und ich nicke ihr aufmunternd zu.
Nach dem Betreten des nächsten Raums, der sich schlicht „Warmluftbad“ nennt, stellt sich - wie auf ein Zeichen hin - ein beglücktes Lächeln ein. Mildes Oberlicht lässt bemalte Kacheln strahlen. In einer gewölbten Nische zeigt sich eine Seenlandschaft unter leuchtend blauem Himmel. Ich fühle die Wärme, breite mein Laken auf einer Holzliege aus und lege mich nieder. Ein Hinweisschild empfiehlt einen 15-minütigen Aufenthalt im 54° warmen Raum. Die Amerikanerinnen treten ein und schauen gebannt nach oben. Ganz  selbstverständlich schweigen sie, zeigen wie auf Absprache lächelnde Gesichter und machen es sich bequem. Unsere Körper werden

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