Die Farbe Beige - Über die Schönheit von Kurzausflügen

Als Teenager hatte ich mir geschworen, auch im fortgeschrittenen Erwachsenenalter, Interesse an der angesagten Musik der Jugend zu zeigen. Das Unverständnis meiner  Elterngeneration gegenüber meinem lebenswichtigen Musikkonsum der einzigartigen Songs von Fleetwoodmac, dem Herzschlagrhythmus von Third World und den befreienden Texten von Nina Hagen, ließ mich damals an ihrem Weltverständnis zweifeln. So etwas würde mir nie passieren!
Heute liegt mein Teenageralter genauso weit entfernt wie mein Rentenalter. Kürzlich habe ich mir einen neuen Schwur auferlegt: Niemals – komme was wolle – werde ich mich von Kopf bis Fuß in Beige kleiden! Beige ist die Farbe der Senioren. Aus unerfindlichen Gründen scheinen sich Seniorinnen grundsätzlich nur in beigefarbener Windjacke zu gleichfarbener Weste, kombiniert mit beigefarbenen Pullover und beigefarbener Hose auf einen Ausflug zu begeben. Vervollständigt mit cremefarbenen Schuhen und eierschalenfarbenem Halstuch bildet diese Kleidung das angesagte Outfit der mobilen und agilen Rentner unseres Landes. So begegnet man ihnen an fast allen relevanten Naherholungszielen: Auf den Nordseepromenaden, dem Brocken mit seinen Ausläufern, in der Reichstagskuppel, im Thüringer Wald, in den Weinorten an Mosel, Saar und Ruwer und natürlich am Rheinfall bei Schaffhausen: Alles Beige! Warum machen sie das?

Warum machen sie das? Und woher haben sie diese Uniform?
Wenn ich, von detektivischer Neugier gepackt, in einem beliebigen Schuhgeschäft meiner näheren Umgebung nach beigefarbenen Schuhen Ausschau halte, entdecke ich nie auch nur ein einziges Paar. Ich sehe sie allenfalls in den Auslagen orthopädischer Geschäfte, die nach meinen Beobachtungen aber nur sehr selten von potentiellen Kunden betreten werden. Zugegeben, ich wohne in einem so genannten Hamburger Szeneviertel, aber auch hier leben Senioren.
Kaum zwei Kilometer Luftlinie entfernt, gibt es einen berühmten Dahliengarten. Dort traf ich kürzlich wieder Scharen Uniformierter.  Das Wetter war schön und die beigefarbenen Westen und Windjacken durften beigefarbenen Blusen weichen.
Der aufmerksame Leser mag sich fragen, was mich zu den bevorzugten Ausflugszielen der älteren Generationen treibt. Zunächst einmal bin ich ein großer Fan von Kurzausflügen. Lieber zehnmal Mal drei Tage unterwegs als einmal drei Wochen. Solche Trips sind einfach schön! Ich liebe es durch Deutschland zu reisen und staunend die Schönheiten der Meere, Flüsse, Seen und Wälder, der Parks und Gärten, der lieblichen Städte und historischen Gemäuer zu bestaunen. Aber es gibt noch einen anderen Grund, den ich nur widerwillig eingestehen mag. Angesichts ihres Interesses werde ich ihn nun aber erstmalig und öffentlich darlegen: Wo sonst senkt man als Mittvierzigerin

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