Auf Stippvisite in der Norddeutschen Tiefebene -
Von Rauchhäusern, Fischlokalen und Leuchttürmen

Hamburg, 12°, Regen. Mit kritischem Blick zum Himmel und zweckoptimistischer Miene fahren wir los. Eigentlich ist es bereits zu spät für den ersten Programmpunkt unserer Kurzreise: Das Museumsdorf Cloppenburg zwischen Bremen und Osnabrück. Aber wer will bei diesem Wetter schon auf ein ausgedehntes Frühstück in der geheizten Küche verzichten? Wir lassen den großstädtischen Montagvormittagverkehr hinter uns und fahren Richtung Westen. Ich will meinem Liebsten ein Stück Heimat zeigen. Er kommt aus Sachsen und ist aus unerfindlichen Gründen ganz versessen auf das platte Land an der Waterkant. Kurz vor Bremen werden die Scheibenwischer überflüssig. Die Sonne bricht sich durch imposante Wolkenberge und das Thermometer steigt rapide auf 18°. „Schau dir den Himmel an!“, schwärmt mein Liebster, “so etwas gibt es nur in Norddeutschland!“
„Mmh, und das von Januar bis Dezember“, pflichte ich ihm bei und beschwöre die Temperaturanzeige. Nächste Woche ist Sommeranfang.
Hinter der Ahlhorner Heide verlassen wir die Autobahn. Als ortskundige Reiseführerin bereite ich meinen neugierigen Mitreisenden auf überlebensgroße Kruzifixe in penibel verunstalteten Gärten vor. Cloppenburg galt während meiner Studienzeit im nahen Oldenburg als Inbegriff katholischer Rückständigkeit. Die Kommilitone

Rückständigkeit. Die  Kommilitonen aus der Provinz hatten mindestens acht Geschwister und ihre ganz persönlichen Probleme mit der Empfängnisverhütung.
Unser Ziel ist das älteste Freilichtmuseum Deutschlands, und ich denke an die strahlenden Augen einer thailändischen Freundin, als sie dort ihren ersten Alkoven sah. Es ist früher Nachmittag und die letzten Schulklassen haben ihren Besuch beendet. Einige Holländer und eine Seniorengruppe verlieren sich auf dem weitläufigen Gelände. Schon in der ersten Scheune kommt mein Erzgebirgler nicht aus dem Staunen raus. „Dem Ersten der Tod, dem Zweiten die Not, dem Dritten das Brot!“ lautet eine Beschriftung zum Thema Moorentwässerung. „So war das damals im Moor!“ erläutere ich, als hätte ich selbst noch zur Schaufel gegriffen. Das gelbstichige Foto einer Familie vor einer armseligen Moorkate verstärkt unser Frösteln im vorsommerlichen Norddeutschland. Neben den Pionieren der Urbarmachung – landlosen Habenichtsen – mussten Häftlinge das Moor trockenlegen. Die Nationalsozialisten errichteten in den Mooren zahlreiche Konzentrationslager, von denen Esterwegen, durch den inhaftierten Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky, zu den bekanntesten gehört.
„Kennst du das Lied ‚Wir sind die Moorsoldaten’? Das erste Widerstandslied von KZ-Häftlingen?“
„Aber sicher. Kennt doch jeder Ossi. ‚Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten durchs Moor! Hier in der öden Heide ist das Lager aufgebau

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